Der Reiz des vorliegenden Bändchens liegt in seiner Transzendenz: Das religiöse Moment wird überschritten, es wird zum lyrischen Erleben schlechthin. Denn dass zwischen Religion und Poesie ein offener Konflikt besteht, ist eine altbekannte Tatsache, die auch von einer Vielzahl von Turoldo-Gedichten bestätigt wird. Allein: In seinen letzten Jahren verwandelt sich der «religiöse Löwe», wie ihn Alda Merini treffend charakterisiert hat, in einen «verzweifelt Liebenden» – und als solcher hat er Gedichte von universalem Gehalt geschrieben, religiös inspirierte Kleinode, in denen der Leser neben Erleuchtung und Trost auch jene künstlerische Spannung finden mag, die die Vorfreude des Dichters und «Theopathen» die endgültige Vereinigung mit dem notwendigen und verzweifelt geliebten Du in sich birgt.
- übersetzt von Christoph Ferber
Pano Verlag
2002, 85 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-907576-46-5
CHF 15.00
David Maria Turoldo, 1916–1992, gehörte zu den bekanntesten Linkskatholiken Italiens. Neben seiner Tätigkeit als Priester und Ordensmann hat er mehrere Gedichtbände veröffentlicht, in denen er seine unorthodoxen Gedanken zur Religion in poetische Form fasst.
Christoph Ferber, Jahrgang 1954, studierte Slawistik, Romanistik und Kunstgeschichte in Lausanne, Zürich, Venedig und Sofia. Seit 1983 Tätigkeit als freier Übersetzer sowie Lektor an den Universitäten Catania und Pescara. Wohnt seit 1999 in Ragusa, Sizilien, wo er als Lehrbeauftragter am Zweitsitz der Universität Catania beschäftigt ist.
Ferber übersetzt fast auschliesslich lyrische Texte aus dem Italienischen, Französischen, Russischen, Polnischen und Bulgarischen. Autoren in Einzelausgaben: Giorgio Orelli, Giovanni Orelli, Remo Fasani (Limmat, Zürich); Michail Lermontow, Vincenzo Cardarelli, Juliusz Slowacki, Gaspara Stampa, Stéphane Mallarmé (Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung; Mainz); Ottaviano Giannangeli, David Maria Turoldo, Fedor Sologub, Fedor Tjutschew, Sandro Penna (Pano, Zürich), Dimtscho Debeljanow, Sinaida Hippius, Antonio Porta, Attilio Lolini, Sadiq Bey (Klinger, Görlitz). Mitarbeit bei der Neuen Zürcher Zeitung, Veröffentlichungen in Neue Rundschau, Drehpunkt, Entwürfe sowie in Lyrikanthologien der Verlage Suhrkamp, Schwabe, S. Fischer.