Karl Barth
Vorlesung Münster 1925/26 und Bonn 1933
hg. von Walther Fürst
Karl Barths Freund Eduard Thurneysen, auf dessen Anregung hin diese Vorlesung als erstes von Barths nachgelassenen exegetischen Werken in der Gesamtausgabe erscheint, sprach ihr gleichen Rang zu wie dem späteren, längst klassisch gewordenen Kommentar Rudolf Blutmanns. Mehr als ein Drittel der breit angelegten, mit Kapitel 8 abbrechenden Auslegung entfaltet allein den Prolog. Dabei beteiligt sich Barth stärker als sonst am Gespräch mit der historisch-kritischen und religionsgeschichtlichen Forschung seiner Zeit. Sein hauptsächliches Interesse gilt jedoch der Frage nach der Bedeutsamkeit gerade dieses Evangeliums in seiner Eigenart für die Verkündigung und das Bekenntnis der Kirche. So gelingt ihm eine nuancenreiche Auslegung aus einem Guß. Wie aktuell Johannes in der genannten Hinsicht ist, erwies sich 1933, als Barth mit einer kaum veränderten Wiederholung der Vorlesung für den suspentierten Neutestamentler Karl Ludwig Schmidt einsprang. Ohne jede direkte Anspielung auf die kirchenpolitischen und politischen Ereignisse, zu denen Barth gleichzeitig in anderer Form Stellung nahm, bringt seine Auslegung die universale Reichweite des Evangeliums zu Gehör.
Der Ausgabe liegt die zweite Fassung von 1933 zugrunde. Ein textkritischer Apparat gibt über die Urfassung. von 1925/26 Aufschluß, wo immer die Überarbeitung anders als nur stilistisch von ihr abweicht. Angesichts der jetzt wieder in Fluß gekommenen Diskussion über das Johannesevangelium dürfte dessen letzter protestantischer Kommentar vor Bultmann besonderes Interesse beanspruchen. Er zeigt überdies den Exegeten Barth von einer neuen Seite und läßt dessen Verhältnis zu dem Evangelium, das dem Dogmatiker Barth immer besonders wichtig war, im Zusammenhang erkennen.
Karl Barth-Gesamtausgabe, Band 9/Abt. II
2. Aufl. 1999, XII/422 Seiten, Leinen mit SU
ISBN 978-3-290-16203-0
80,00 €
Karl Barth (1886–1968) studierte Theologie in Bern, Berlin, Tübingen, Marburg und war von 1909 bis 1921 Pfarrer in Genf und Safenwil. Mit seiner Auslegung des Römerbriefes (1919, 1922) begann eine neue Epoche der evangelischen Theologie. Dieses radikale Buch trug ihm einen Ruf als Honorarprofessor nach Göttingen ein, später wurde er Ordinarius in Münster und Bonn. Er war Mitherausgeber von «Zwischen den Zeiten» (1923–1933), der Zeitschrift der Dialektischen Theologie. Karl Barth war der Mitautor der «Barmer Theologischen Erklärung» und ein führender Kopf des Widerstands gegen die «Gleichschaltung» der Kirchen durch den Nationalsozialismus. 1935 verlor Barth wegen Verweigerung des bedingungslosen Führereids seine Stelle an der Bonner Universität. Er bekam sofort eine Professur in Basel, blieb aber mit der Bekennenden Kirche in enger Verbindung. Sein Hauptwerk, «Die Kirchliche Dogmatik», ist die bedeutendste systematisch-theologische Leistung des 20. Jahrhunderts.
Seit 1971 sind im Theologischen Verlag Zürich mehr als 50 Bände der Karl Barth-Gesamtausgabe erschienen. In ihr werden Barths Texte kritisch ediert und so präsentiert, dass sie für die wissenschaftliche Beschäftigung, aber auch für einen grösseren Interessentenkreis lesbar und zugänglich werden. Jeder Band wird von einem oder mehreren spezialisierten Herausgebenden bearbeitet und erscheint in Zusammenarbeit mit der Leitung des Karl Barth-Archivs.
Angelegt ist die Gesamtausgabe auf ca. 70 Bände. Nicht aufgenommen wird die «Kirchliche Dogmatik» und – ausser den bereits edierten Texten – die gut greifbar vorliegenden monographischen Arbeiten Barths.
Die Gesamtausgabe gliedert sich in sechs Abteilungen:
I. Predigten
II. Akademische Werke
III. Vorträge und kleinere Arbeiten
IV. Gespräche
V. Briefe
VI. Aus Karl Barths Leben
Jedem Text bzw. jedem Band sind Einleitungen vorangestellt, in denen der Anlass und die Entstehung des Texts, der historische oder biografische Hintergrund und, soweit ermittelbar, die unmittelbare Wirkungsgeschichte erläutert werden. Textgrundlage ist in der Regel der letzte von Barth autorisierte Druck.